Die Bewegung zur Offenheit hin

Roman Scheidl / Kunsthalle , Winterthur, Schweiz

Die in bewegter Pinselsprache niedergeschriebenen Tuschpinselzeichnungen des Wiener Malers Roman Scheidl deuten zeichenhaft-fragmentarisch Visionen einer ganzheitlichen Weltsicht an. Das Gegensätzliche von Abstraktion und Gegenständlichkeit vereinigend, verheißen sie provokativ Schönheit und Glück. Die bühnenhafte Inszenierung, die fließenden Formen, die sich stets in etwas Neues verwandeln, verweisen auf das Scheinhafte, Illusionäre, Transitorische dieser Welt.
Die bewegte Pinselsprache Roman Scheidls verwirrt zunächst den Betrachter, der sich in die Bilder hineinlesen muss. So locker gezeichnet und gemalt seine Arbeiten sind, sie geben ihr Geheimnis nicht ohne weiteres preis. Das Ambivalente, ja Vieldeutige seiner Bildsprache verrätselt das Dargestellte, das sich im Gewebe der Pinselschläge in Rhythmus aufzulösen scheint. Wir bewegen uns an der Grenze von Gegenständlichkeit und Abstraktion, Gegensätze, die Scheidl in seiner Bildsprache zu einer Einheit verschmelzt. Es liegt in der offenen Grundhaltung des Künstlers, dass er Gegensätzliches vereint und in der Bewegtheit Stille und Harmonie sucht. Seine Tuschpinselzeichnungen, von fernöstlicher Kalligraphie inspiriert, verwandeln alles in einen Rhythmus, der die Gegensätze aufhebt, das Feindliche spielerisch zusammenführt. Alles ist auf das Versöhnliche hin angelegt, das seinen Bildern Schönheit verleiht, die Illusion des Glücklichseins beschwört.
Im Grunde genommen geht es Roman Scheidl immer um eine möglichst vielfältige Aneignung der Welt; Aneignung in dem Sinne, dass die Motive in eine bühnenhafte Szenerie, in eine zauberhafte, transitorische Welt versetzt werden.
So werden den Motiven die Schwere unserer Lebensrealität genommen. Sie verwandeln sich in heitere, lockere, duftige Szenen. Wozu Scheidls Pinselsprache Wesentliches beiträgt. Die erzählerische Thematik, ganz bildhaft geworden, gehorcht nur der Logik des Bildes und nicht einer solchen der Sprache. Die sprichwörtlich bildhafte Offenheit seiner Arbeiten kann niemals durch die Sprache eingeholt werden.
Helmuth Kruschwitz

An der Schnittstelle zwischen Malerei und Tanz

Seine Bilder sind poetisch. Er thematisiert alles, was tanzt, fliegt, träumt und lächelt – seine Welt scheint leicht und flüssig, voll flimmernden Lichts, in ewiger Bewegung. Ein warmer Frühlingswind voll Blütenduft durchweht sein Werk und seine Titel.

Roman Scheidl liebt den Tanz und entwickelt einen ganzheitlichen Ansatz in der Malerei. Die Zeichnung bleibt nicht auf dem zweidimensionalen Blatt, Scheidl geht an die Wände, in den Raum, auf den Tanzboden und in den gezeichneten Bühnenraum. Das Einfangen des getanzten Augenblicks erfordert ein Höchstmaß an Virtuosität und Koordination im Wahrnehmen, Erfassen und Übertragen in die Dimensionen des Strichs. Auge und Hand müssen fast gleichzeitig agieren, um Rhythmus und Form in Einklang zu bringen.

Er bedient sich eines Pinselstrichs, der dem Formenrepertoire der japanischen Kalligraphie entnommen ist und dessen konzentrierte Bewusstheit zu einem eigenen Stil wird. Sie ordnen sich zu rhythmischen Notaten der tanzenden Bewegung. In Analogie zum japanischen Schriftzeichen schließt sich das Bild trotz innerer Bewegtheit zu einem in sich ruhenden Ganzen.

Dass Roman Scheidl als erfolgreicher junger Künstler 1981 plötzlich zum Tuschpinsel greift, hat mehr mit Zufällen als mit gezielten Absichten zu tun. Trotzdem verändert das für ihn neue Handwerkszeug seine Arbeitsweise, von den frühen 80er Jahren an, von Grund auf. Auch seine Malerei.

Drei Grundzüge begleiten von da an seine Arbeit: der einkalkulierte Zufall (durch Schnelligkeit oder Automatismus der Hand), die schrittweise Erarbeitung eines geradezu alphabetischen Repertoires an Formen und schließlich die Öffnung der Arbeit zu multimedialer Kooperation. Am stärksten hat zweifellos seine Arbeit als Livezeichner am Overheadprojektor für Tanztheaterproduktionen auf die Entwicklung eines unverkennbaren Stils mitgewirkt. Das Ergebnis ist ein voluminöses, der Welt gegenüber immer offenes Werk, das aber zugleich eine seltene, identifizierbare Geschlossenheit aufweist.